Frühling im Herbst: Mit Lichtbild-Show, Vortrag und Talk feiern unsere BUCHPREMIERE am 29. Oktober um 19 Uhr in der Katholischen Akademie Stapelfeld. Wir, das sind Mitherausgeber Willi Rolfes (Bilder) und für die Texte ich sowie die Dichter:innen Sujata Bhatt und Michael Augustin, Verleger Martin Breutmann und unser verehrtes Publikum:
»ein zwitscherndes ein klingendes licht – Neue Gedichte und Bilder vom Frühling«.
heißt unser Buch. Zusammen mit den Fotografien von Willi Rolfes versammelt die Edition Bildperlen hier ausgewählte Texte bester Poet:innen:
Michael Augustin, Ulrich Beck, Sujata Bhatt, Günther Butkus, Bela Chekurishvili, Kurt Drawert, Reimer Boy Eilers, Patricia Falkenburg, Kersten Flenter, Elena Frolowa, Sylvia Geist, Sabine Göttel, Klaus Rainer Goll, Anna Gulczynska, Annette Hagemann, Caroline Hartge, Judith Hennemann, Kerstin Hensel, Stefan Heuer, Norbert Hummelt, Nikola Huppertz, Jan Koneffke, Andrej Korowin, Matthias Kröner, Anton G. Leitner, Kathrin Niemela, Ilma Rakusa, Reinhard Reich, Jan Röhnert, Georg Maria Roers, Ralf-Rainer Rygulla, Marco Sagurna, Sabine Schiffner, Volker Sielaff, Jörg Stein, Leander Sukov, Sergej Tenjatnikow, Olaf Velte, Achim Wagner, Thomas Weiß, Martin Westenberger und Ron Winkler; ISBN 978-3-96546-014-0.
Ins LANGE LYRIKWOCHENENDE HANNOVER geht es am 27. und 28. September:
Am Freitag um 19 Uhr aufs »Lyrikfest Lyrikedition Hannover – Gedichte, Musik, Videos«. Hier stellen Tabea Farnbacher, Annette Hagemann und Jan Egge Sedelies ihre neuen im Wehrhahn Verlag Hannover erschienenen Bücher vor. Am Akkordeon dabei ist Goran Stevanovic. Die Moderation macht Jutta Rinas.
Am Samstag um 20 Uhr heißt es vielsprachig: DER OSTEN LEUCHTET – Lyrik aus Osteuropa. Zur Relevanz der Poesie: Lesung und simultan übersetztes Podiumsgespräch mit Bela Chekurishvili (Georgien), Luljeta Lleshanaku (Albanien), Aleksei Bobrovnikov (Ukraine) und Marko Pogacar (Kroatien) sowie Tandemlesungen zusammen mit den hannöverschen Kolleg:innen Tabea Farnbacher, Sabine Göttel, Christine Kappe und Stefan Heuer. Den Abend moderiere ich zusammen mit der Lyrikerin und Übersetzerin Caroline Hartge. Die Veranstaltung fußt auf der von Ralf-Rainer Rygulla und mir herausgegebenen Anthologie »Der Osten leuchtet – Poetische Töne aus Europa«, mit Texten von 92 in Osteuropa verwurzelten Autor:innen (Dielmann Verlag, Frankfurt am Main).
DIE LYRIKKARAWANE • Sichere Texttransporte Sichere Gedichte: Workshop, Buch & Lesungen: Erst sind wir Dichter:innen in Klausur zum Workshop in Stapelfeld, dann bringen wir unsere Poesie auf die Bühnen.
Erster literarischer Abend ist Mittwoch, 18. September, 19 Uhr in der Katholischen Akademie Stapelfeld, dort lesen Caroline Hartge, Kathrin Niemela, Ralf-Rainer Rygulla und Olaf Velte, moderiert von Reimer Boy Eilers und mir. Im November folgt ein Auftritt im St. Antoniushaus Vechta (20.11.), wo Leander Sukov liest und seine Kolleg:innen vorstellt: Andreas Rumler und Hasan Ze Alnoon mit seiner Übersetzerin Claudia Hering. Im Dezember geht es ins Bildungshaus Rastede (10.12.), wo Sabine Göttel liest und spricht mit Günther Butkus und Anna Sanner.
Allesamt lesen wir aus der druckfrischen Anthologie: Die Lyrikkarawane • Sichere Texttransporte Sichere Gedichte (Kulturmaschinen Verlag 2024):
Mit neuen Texten von 30 Autor:innen: Michael Augustin, Cornelia Becker, Franziska Beyer-Lallauret, Günther Butkus, Safiye Can, Mio Costa, Natascha Denner, Kurt Drawert, Kersten Flenter, Sylvia Geist, Annette Hagemann, Caroline Hartge, Jan Koneffke, Krystyna Kuhn, Kathrin Niemela, Reinhard Reich, Andreas Rumler, Ralf-Rainer Rygulla, Anna Sanner, Sergej Tenjatnikow, Olaf Velte, Werner Weimar-Mazur, Thomas Weiß, Ron Winkler, Hasan Ze Alnoon (nachgedichtet aus dem Arabischen ins Deutsche von Claudia Hering) sowie den Herausgeber:innen Reimer Boy Eilers, Sabine Göttel, Marco Sagurna und Leander Sukov
Die Lyrikkarawane ist ein Kooperationsprojektes der Katholischen Akademie Stapelfeld und des Kulturmaschinen Verlags, gefördert von Stiftung Niedersachsen, Oldenburgischer Landschaft, Kardinal von Galen Stiftung und PEN-Zentrum Deutschland sowie unterstützt vom Autor:innenzentrum Hannover.
Für das von Willi Rolfes fotografierte und mir herausgegebene Buch laub ist ein geruch es ist ein flirren – Neue Gedichte und Bilder vom Herbst (Edition Bildperlen) werden wir Januar 2024 ausgezeichnet mit einem International Creative Media Award in Bronze in der Kategorie „Art Books“. Wir bedanken uns bei Verleger Martin Breutmann, der unser Buch ins Rennen der 2988 Bewerber*innen aus 28 Ländern schickte! Wir bedanken uns bei den 48 Autor*innen für ihre Gedichte. Und für den feinen Preis bedanken wir uns mit einem knallenden Korken – paaalopp!
Für ein Porträt über mich als Lyrik-Aktivist treffen sich am Sonntag, 18. Februar, in Oldenburg bei Ralf in seiner Galerie Lake der NDR-Reporter Andreas Moll aus Hamburg und sein Filmteam William & Rahib mit mir aus Hannover. Die deutsche Buchpremiere von »Gedichte ÜberKunst • Poems OnArt« vor vollem Haus gibts mit dabei. Gedreht wird für Norddeutschlands Fernsehkult »DAS! Rote Sofa«. Die Sendung läuft am 27. Februar, 18:45 Uhr. Da schauen eine Million Poesiehungrige zu. Lyrik ist halt ein Straßenfeger. Hier online zu sehen in der ARD-Mediathek.
Zum Geschenk des Lebens gerät die Buchpremiere „Gedichte ÜberKunst Poems OnArt“ im [FKc] FORUM KUNST contemporary in Millstatt am See in Österreich am 18. November. Choreografin Andrea K. Schlehwein bindet meine Leserei ein in ihre Tanzperformance zur Vernissage „prunkvoll prächtig die Tafel – ein Fest“. Ausstellungseröffnung als von vielen beseelten Millstätter Händen gestemmter üppiger Charity-Schmaus. Als tänzerisch textlich poetisch krass kommentierte Zeitkritik.
In der Generalprobe zündet Andreas Regie, mein Vortrag gewinnt deutlich in der von Eleonore Schäfer kuratierten Kunst von Christian Bazant-Hegemark, Josef Fischnaller, Achim Freyer, Franz Politzer, Marina Sailer und Peter Sengl. Die Tänzerinnen Jerneya Fekonja, Unita Galiluyo und Petra Peček spielen mit mir. Mein Lesen darf mit ihnen tanzen.
Die Deutsche Bahn fährt mich fast pünktlich ausgiebig hin und zurück. Und logieren darf ich bei Sonnenschein mit Blick auf spiegelglattes Wasserblau und schneebedeckte Berggipfel gleich am Ufer in der historischen See-Villa. Geht.
Unter den durchweg großartigen Lesungen dieses Jahr in Berlin, auf Helgoland, in Hannover, Leipzig, Ochsenfurt, Münster, Stapelfeld und Wesselburen ist Millstatt die Zauberfee.
In den Sommer schicken wir einen Herbst, der 2024 in London ausgezeichnet wird mit einem International Creative Media Award in Bronze in der Kategorie „Art Books“. Unser in der Edition Bildperlen erschienenes Buch laub ist ein geruch es ist ein flirren – Neue Gedichte und Bilder vom Herbst versammelt auf 192 famos gedruckten Seiten Poesie: in den Fotografien von Willi Rolfes sowie in den Gedichten von 48 Autor*innen:
Von Michael Augustin, Inka Bach, Ulrich Beck, Günther Butkus, Axel Dielmann, Ulrike Draesner, Kurt Drawert, Reimer Boy Eilers, Kersten Flenter, Katharina Fuchs, Claudia Gabler, Sylvia Geist, Sabine Göttel, Nora Gomringer, Dieter M. Gräf, Annette Hagemann, Judith Hennemann, Stefan Heuer, Jana Hradilová, Norbert Hummelt, Nikola Huppertz, Klára Hůrková, Adrian Kasnitz, Jan Koneffke, Birgit Kreipe, Matthias Kröner, Anton G. Leitner, Maja Loewe, Kathrin Niemela, Steffen Popp, Ilma Rakusa, Reinhard Reich, Peter Reuter, Jan Volker Röhnert, Georg Maria Roers, Ralf-Rainer Rygulla, Theresa Sambruno, Sabine Schiffner, Jörg Stein, Leander Sukov, Sergej Tenjatnikow, Hans-Ulrich Treichel, Olaf Velte, Michael Wäser, Achim Wagner, Martin Westenberger. Ron Winkler und mir.
An der University of Pune in Indien lehrt MAGISTER CHRISTINE FARIAS das Deutsche : ihr Masterkurs Germanistik beschäftigt sich mit literarischer Übersetzung : mir schreibt sie : „Ich habe meinen StudentInnen von Dir und Deinem Buch MINIMAL gedichte : einfache auch in FARBE und von Deinem Workshop mit uns erzählt. Sie waren begeistert!“ Nun gehört sie mit ihren Student*innen zu einem Team von Professor M.K. Natarajan, das an der Banaras Hindu University Varanasi die Übertragung des Buches in mehrere indische Sprachen erarbeitet :
An den Emoji-Gedichten in MINIMAL haben Christines Student*innen aus dem zweiten Semester Vergnügen: „Außerplanmäßig habe ich ihnen als ‚Erfrischungsaufgabe‘ gegeben, selbst ein Emoji-Gedicht zu ’schreiben‘. Sie haben die Aufgabe und den Prozess so sehr genossen!“ Das ergreift mich. Da weiß einer, wofür er schreibt. Danke!
Auf der LESEBÜHNE HESSEN in Halle 3.1. gibt’s Samstagmittag unsere Buchpremiere „Der Osten leuchtet – Poetische Töne aus Europa“ : als Herausgeber präsentieren Ralf-Rainer Rygulla und ich das Buch – was sonst – im Poesievortrag. Verleger Axel Dielmann moderiert. Madelyn Rittner vom Hessischen Literaturrat fotografiert uns dabei.
„92 Dichter und Dichterinnen mit Wurzeln in 21 Ländern im Osten und Südosten Europas harren in dieser grandios komponierten und zum lauten Vorlesen stimulierenden Anthologie ihrer Entdeckung. Ein beeindruckendes, gut 400 Seiten umfassendes Monument der Übersetzungs- und Herausgeberkunst, dem ich wünsche, dass es Epoche macht!“ schreibt Michael Augustin in Lesart – unabhängiges Journal für Literatur 3/2022.
Bei PEN Berlin in Halle 3.1. stelle ich am Freitagvormittag »Warmia« vor. Kollege Joachim Helfer moderiert.
Die dieses Jahr im Kulturmaschinen Verlag Freiburg erschienene Neufassung des Romans erzählt die Geschichte um eine plötzliche und aufreibende Liebe zwischen Schwester und Bruder. Ein Buch um Schmerz und Gewalt. Um Missbrauch und Macht. Um Flucht und Terror. Um Heil und Unheil. Um Ostpreußen. Um das neue Polen. Um Kunst. Um Religion und Geschichte. Um Freundschaft und Vertrautheit. Um Engel. Und um starke Frauen.
„Hier hat ein Gegenwartsautor sich auf das kollektive Trauma seiner Elterngeneration eingelassen. Und auf die Erkenntnis, dass dieses Trauma auch 80 Jahre später keineswegs ausgestanden ist.“ – so Gerhard Snitjer im Norddeutschen Rundfunk.
Im September freue ich mich über Professor M.K. Natarajans Einladung an die Faculty of Arts der Banaras Hindu University Varanasi, wo ich über drei Wochen – virtuell – einen Workshop Poesie Gedichte Lyrik mache.
Ich starte mit einem Exkurs „Was sind Gedichte?“, trage dazu Beispiele aus der Literaturgeschichte vor, Deutschsprachiges wie ins Deutsche übersetztes; von Walther von der Vogelweide über Johann Wolfgang von Goethe, Hermann Hesse, Rabindranath Tagore und Gottfried Benn arbeiten wir uns bis zu Alexander Kabanow, Wjatscheslaw Kuprianow, Bela Chekurishvili, Kornélia Deres, Marianna Georgieva, Milena Marković und Anna Terèk aus dem Mittelalter in die Gegenwart vor, das Heute mit Texten aus der Sammlung „Der Osten leuchtet – Poetische Töne aus Europa“ (Dielmann Verlag 2022) sowie mit eigener Lyrik aus „MINIMAL gedichte : einfache auch in FARBE“ (Kulturmaschinen Verlag 2022).
Besondere Beachtung schenken wir dem Thema Übersetzungen: Wie schaffe ich es, die Poesie einer Sprache in die andere zu transportieren?
Wunderbare, neugierige Menschen sind versammelt. Von Universitäten ganz Indiens. Schon 2002 hatte mich der Dekan des Department of German Studies – da leibhaftig – als Gastdozent an die M.S. University of Baroda nach Gujarat geholt. Bis heute durchdringt mich der Gehalt eines touristischen Slogans: Incredible India.
Freudenfeuer: Anfang September erscheint
MINIMAL gedichte : einfache auch in FARBE
im Kulturmaschinen Verlag, Freiburg.
Dieses Buch enthält herkömmlich verdichtete deutsche Textlyrik mit wenig Worten auf viel weißem Raum sowie – Achtung – in Bilderschrift als echte Weltpremiere: 24 echte Emoji-Gedichte.
Als Taschenbuch: ISBN 978-3-96763-214-9;
als Hardcover: ISBN 978-3-96763-215-6;
als e-Book: ISBN 978-3-96763-216-3.
DER OSTEN LEUCHTET – Poetische Töne aus Europa: Auf 400 Seiten präsentieren Ralf-Rainer Rygulla und ich Poesie von 159 Dichter*innen & Übersetzer*innen mit Wurzeln in Abchasien, Albanien, Armenien, Belarus, Bosnien Herzegovina, Bulgarien, Georgien, Kroatien, Lettland, Polen, Rumänien, Russland, Serbien, Slowakei, Slowenien, Tadschikistan, Tschechien, Türkei, Ukraine, Ungarn, Zypern – und einem Zeichner aus dem Emsland. Dielmann Verlag Frankfurt am Main / ISBN 978-3-86638-306-7.
WARMIA: Ein Roman um Schmerz und Gewalt, Missbrauch und Macht. Um Krieg und Vertreibung. Um Flucht und Terror. Um ein spektakuläres Kunst-Projekt. Um Polen und Ostpreußen, Religion und Geschichte. Um Engel. Um Freundschaft und starke Frauen. Um eine Tragödie. Die bearbeitete Neuauflage: Kulturmaschinen Verlag Freiburg; 339 Seiten / ISBN: 978-3-96763-211-8 kt / 978-3-96763-212-5 geb / 978-3-96763-213-2 ePub. Presse-Echo & Widerhall: hier Zitate. Mehr zum Roman: auf Deutsch / in English.
Juni bin ich als Test-Interviewpartner zu Gast im Seminar des Studiengangs Integrated Media and Communications von Stefan Schmädeke an der Hochschule Hannover – University of Applied Sciences and Arts im Planet M auf der Expo Plaza (Foto Marie Alisha Ober).
Endlich geht wieder was. Einladungen gibt es für Auftritte in Vinnhorst, Frankfurt am Main, Hannover und als Glanzlicht des Jahres: für das LESEFEST OCHSENFURT der Kulturmaschinen, 10.-12. Juni. Wo ich vor ein leibhaftiges Publikum treten darf, vorzutragen zusammen mit den Kolleg*innen Reimer Boy Eilers, Heinrich von der Haar, Marlene Pfaffenzeller, Vera Botterbusch, Christine Sterly-Paulsen, Michael Kleinherne, Thomas Kastura, Heinrich Peuckmann, Jutta Schubert, Marion Tauschwitz, Peter Reuter, Leander Sukov, Gesa Schröder, Peter H.E. Gogolin und Bettina von Minnigerode. Arrangiert von Chefmaschinist Sven j. Olsson. Kostproben feiner Texte erlebe ich: Entdeckungen. Zu Gast im verwunschenen Literaturhaus von Leander und Simone Barrientos. Danke!
PEN & PEN Berlin: Auf der Tagung der Gestandenen jüngst in Gotha kracht es gewaltig. Es eskaliert. Es kommt zum Bruch. Der führt zu frischer Gründung. Pauken werden geschlagen, Hörner zur Attacke geblasen. Angriffstlustig tobt Kakophonie durch die Medien. Gestandene leiden unter Frischen und umgekehrt. Es wird ausgeteilt und hergezogen. Vorwürfe, Spott und Hohn konstatieren lautgemalt eine jeweils falsche Daseinsberechtigung.
Dabei ist jenseits allen Getöses allen gewiss: Was getan wurde, was zu tun ist füreinander unter uns Poets, Essayists, Novelists, das ist wichtig, notwendig, unverzichtbar. Ebenso die erweiterte Solidarität, derer unsere Kolleg*innen Journalist*innen so dringend bedürfen. Fürsorge zu tragen, dass wir, wo immer wir sind, mit Respekt voreinander schreiben, sagen, leben können, was und wie wir wollen. Mögen Gestandene wie Frische sich – weiter – kümmern. Frisch organisiert. Eh.
Dass ich per Stream erst daheim und dann in der Eisenbahn auf dem Weg zum Lesefest Ochsenfurt der Kulturmaschinen unter 370 Kolleg*innen (so das denn offiziell wird) zum Mitgründer von PEN Berlin wurde, das freut mich. Ohne die Literatur der Anderen wäre ich nichts. Ohne den Austausch mit den Kolleg*innen wäre ich nichts. Ohne die Solidarität untereinander wären wir nichts. Also: Vertragen wir uns wieder. Leise. Und wenn nötig, dann eben laut. Auf geht’s.
Die pandemischen Umstände führen zu meinem aktuell laufenden Projekt Gedichte ÜberKunst. Für die – virtuell – feierliche Eröffnung seiner Jubiläumsausstellung 10 Jahre 10 Künstler bittet mich der Galerist Ralf Lake um kollegiale Schützenhilfe. Gefragt ist gesprochener Text zu ausgewählten Arbeiten im Galerie-Blog. Corona will das so.
Ich will kein Ausstellungseröffnungssekundärtextgeschwurbel; die Kunst diktiert mir Poesie: Gedichte ÜberKunst. Und weil ich in Poesie wie Kunst von Kind an verwoben bin, ist schnell klar: ich werde mich auf Kunst-Reise begeben, an weitere Orte zu weiteren Künstler*innen. Das soll Buch werden. Gedichte, die für sich stehen, die aber ohne ihre Quelle, die Kunst, nicht wären. Deshalb ein Buch mit diesen Gedichten und mit den Fotografien dieser Kunst. Bildende Kunst bekommt schreibende Kunst und zeigt sich in poetischer Versammlung.
Die Reise bringt Begegnungen. Hüben wie drüben Neugier. Was für ein Text wird aus der Kunst werden? Schauen, sprechen, schauen, schreiben. Virtuell. Leibhaftig.
Bisher wurden 20 Gedichte ÜberKunst: von Ellen Akimoto, Andora, Undine Bandelin, Ariane Boss, Ha Haengeun, Camille Henrot, Endy Hupperich, Ajay Lakhera, Anne Nissen, Michael Ramsauer, Kerstin Schulz, Marina Schulze, Deborah Sengl, Peter Sengl, Jörg Stein, three mit Hironori Kawasaki, Lech Twardowski, Sandra Vásquez de la Horra, Armin Völckers (Bild) und Christina Zurfluh. Gefunden habe ich sie in Ateliers, in der Oldenburger Galerie Lake, im FORUM KUNST contemporary in Millstatt, in der Galerie The Grass is Greener in Leipzig, im Nationalmuseum Wrocław, in der Faculty of Fine Arts der Maharaja Sayajirao University of Baroda, in der Kestner Gesellschaft Hannover, in der König Galerie Berlin London Seoul, in der Galerie Falkenberg Hannover, bei Mario Mauroner Contemporary Art Salzburg und der Galerie Rothamel Erfurt & Frankfurt am Main.
Gespannt bin ich auf weitere Begegnungen. 31 oder 52 Gedichte ÜberKunst sollen es am Ende sein. Mal sehen
Auf YouTube, bitte: die Gedichte ÜberKunst.
Danke Sun Wei! Mit ihren Übersetzungen verhilft mir die Schriftstellerin zur ersten Publikation meiner Gedichte in China. Auf Deutsch, Englisch (übertragen von Deirdre McMahon) und Chinesisch sind sie in einer in Shanghai erscheinenden Anthologie zu lesen:
Auch zur 3. Hannoverschen Autor*innenkonferenz am 9./10. Juli moderieren Gabriela Jaskulla und Martin Reckweg die Textwerkstatt. Die Jury aus Alexa Dietrich, Achim Engstler und Annette Hagemann sichtet die Einsendungen und lädt ein: Tabea Farnbacher, Nikola Huppertz, Ken Merten, Laura M. Neunast, Kadir Özdemir, Angela Regius, Stefanie Schweizer, Bert Strebe, Burkhard Wetekam, Armin Wühle sowie eine weitere Autorin. Das Impulsreferat hält Bachmann-Deutschlandfunkpreisträger Leander Fischer. Bewährte Ausrichter sind das Kulturbüro Hannover und der VS Niedersachsen/Bremen.
Mit dem literarischen Wanderpokal KURT küren wir Autor*innen aus unserer Mitte Burkhard Wetekam und seine Prosa „Das Tuch“; dank seiner Schöpferin, Lauschkünstlerin Natalie Deseke, deklamiert Pokal KURT ein Jahr lang nun Wetekam zu Ehren mit Schwitters‘ Originalstimme dessen berühmtes Gedicht Anna Blume. Mit zwei zweiten Preisen kurten wir Tabea Farnbacher und ihre Gedichte sowie eine ungenannte Autorin und ihren dramatischen Text.
Als Miterfinder von KURT begleite und fotografiere ich. Zum ersten Mal in meinem Knipserleben verschnarche ich den Kontrollblick auf die Kameraeinstellungen, die offenbar im Fahrradkorb verschubbert waren. Unfreiwillig experimentell arbeite ich in einem manuellen Belichtungsmodus. In den Müll vor allem, wie in Experimenten üblich, aber einige Bilder würdigen ihre Motive geisterhaft kunstvoll.
Maskenfrei: Ende Januar habe ich das erste Online-Interview meines Lebens. Für KulturNetz, die Zeitschrift des Verbandes Deutscher Schriftsteller*innen spricht Chefredakteurin Sabine Prilop (oben links) mit mir. Darüber was fehlt im coronisierten Autorenleben. Die Lesungen natürlich und das Reisen. Vor allem aber, dass mancher Verlag längst fertige wunderbare Manuskripte noch immer nicht zu Büchern hat machen können. Scheiß Corona.
Obendrein ist das Online-Interview Teil des Fotoprojekt „Porträts auf Distanz“ von Sabine Prilop, dieses Bild vom Bildschirm (Ausschnitt) hat sie gemacht.
„dichten wir machen wir Kunst Musik und Theater : den VIRUS halten wir auf Abstand : aus der Ferne liefern wir Nähe“ : unter dieser Parole stelle ich einige Clips auf YouTube : Selfilmchen an entvölkerten Orten : aufgefüllt mit Poesie : aus MINIMAL Gedichte : zu den Clips hier klicken
Der Osten leuchtet – Poetische Töne aus Europa: Mehr als 150 Bücher mit osteuropäischer Poesie (in deutscher Sprache) sowie zirka 40 Manuskripte sichten Mitherausgeber Ralf-Rainer Rygulla und ich bis jetzt. Wir telefonieren, machen Video-Konferenzen, mailen, treffen uns mit Autorinn*innen, Übersetzer*innen & Nachdichter*innen, mit vielen feinen Menschen aus kooperierenden Buchverlagen. Und wir treffen einander: viermal für je drei Tage. In Frankfurt am Main und in Hannover. Da vorlesen wir uns Marathon: jeden in die engere Wahl genommenen Text. Und wählen nur aus, was wir beide für unverzichtbar halten. Der besonderen poetischen Töne wegen, die wir entdeckt haben in Ost Südost Europas verwurzelten Texten von zirka 100 Autor*innen, Übersetzer*innen, Nachdichter*innen aus 17 Ländern. Mitte Januar haben wir das Manuskript beieinander. Nun fehlt nur noch der Vertrag für das Buch. Wer greift zu und geht mit uns?
Für seine Serie PaddelPoesie auf YouTube : lädt das Pariser KunstKollektiv Hannovers Literaturszene ein : sich zu bewerben : 20 Autor*innen bekommen je drei, vier VIDEO-CLIPS : wie cool : ich bin dabei.
„Der Clou dabei ist, dass wir uns beim Dreh stets in einem Gummiboot befinden und auf einem der vielen verschiedenen Gewässer Hannovers herumtreiben“, so die Pariser KunstKollektivisten. Wer mit im Boot ist, darf sich sein Gewässer aussuchen.
Das 1. Kapitel im Roman WARMIA spielt in einem Schwimmbecken. Folgerichtig wähle ich für unseren Dreh am Freitag, 6. September, das Volksbad Limmer, Heimat des Deutschen Wasserball-Pokalsiegers WASPO Hannover.
Dem Pariser KunstKollektiv danke ich für diese durchgeknallte Idee, Schwimmmeister Maik Werner für’s Filmendürfen und für seine Fotoserie vom Beckenrand.
Ich lese aus dem Roman Warmia und MINIMAL gedichte : einfache auch in FARBE (beide erschienen im Kulturmaschinen Verlag Freiburg). Das durchgeknallteste Literaturformat der Neuzeit auf YouTube: PaddelPoesie.
Literarisches Speeddating in der HELDRAUMSTATION Hannover : Mittwochabend 28. August : zusammen mit Hartmut El Kurdi, Ilo Gansel, Jörg Kastner und Margarete von Schwarzkopf speedlese ich : auf Einladung der Stadt.
Ausverkauft.
10 Minuten lesen 10 Minuten plaudern : fünf Lesestationen : fünf Autor*innen : das Publikum wechselt wandert : 10 Minuten sind 10 Minuten : Annette Hagemann vom Kulturbüro läutet das Glöckchen : kling : kling : kling : kling : kling : 10 Minuten sind 10 Minuten : kling : kling : kling : kling : kling : Dichtung klingelt : Dichtung tanzt.
Vielleicht, weil ich eine Abneigung habe gegen Funktionäre, insbesondere welche, die sich für eine bessere Welt ein wenig zu offensiv im Anzug der Selbstgerechtigkeit inszenieren, dauerte es. Trotz dass ich weiß, dass wir Gewerkschaften gutes Leben verdanken, es dauerte.
Dauerte, bis ich dieses Jahr den Schriftsteller Achim Engstler kennen lernen durfte, der sich neben seinem Brotberuf so klug und unaufdringlich für die Belange seiner Kolleginnen und Kollegen engagiert. Ein kleines Lesezeichen des VS hatte er beim 1. Hannoverschen Autor*innentreffen auf den Tischen liegen lassen. Das nahm ich mit, las, erfragte mir bei Achim noch ein wenig. Und bewarb mich um Aufnahme. Mit Erfolg. Seit August bin ich Mitglied im VS, dem Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller.
Geht’s mir jetzt besser: Ja.
Im Februar initiiert Annette Hagemann vom Kulturbüro Hannover ein Treffen der professionellen Autorinnen & Autoren aus Stadt und Region. Um die 70 kommen ins Künstlerhaus: Beschnuppern & Ideen zusammentragen. Ab heute gibt es das Autor*innennetzwerk Hannover.
Eine Idee nehmen wir uns gleich vor: Die Lyrikerin Hagemann, der Erzähler und Essayist Achim Engstler und ich entwickeln und vorbereiten: KURT 2019, die 1. Hannoversche Autor*innenkonferenz. Wer dabei sein will, bewirbt sich mit bis zu fünf Seiten Dichtung. Es kommt reichlich; wir drei sichten und wählen aus: Prosa-Stücke aus in Arbeit befindlichen Manuskripten.
Für die Leitung von Schreibwerkstatt und Textkritik gewinnen wir die Medien-Professorin und Schriftstellerin Gabriela Jaskulla sowie den Journalisten Martin Reckweg vom NDR.
Zu unserer von Stadt und dem Verband Deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller ausgerichteten Veranstaltung laden wir zwölf Schreibende ein; über Pfingsten geht es in der Fachhochschule des Mittelstands Hannover an die Texte. Mit dabei sind:
Nicole Balschun, Naby Benjamin Berdjas, Gyde Callesen, Bodo Dringenberg, Eva Horter, Leander Fischer, Nima Moraghebi, Tobias Premper, Alexander Rudolfi, Barbara Schlüter, Axel Schnell und Tarja Sohmer; Thomas Klupp setzt uns mit seinem Impulsreferat gleich anständig auf die Spur; journalistischer Gast ist Bert Strebe (Hannoversche Allgemeine Zeitung).
Und: Wir vergeben den neuen Literaturpreis KURT; zart dotiert, aber – das ist was Besonderes – vergeben von uns allen, von uns Autorinnen & Autoren selbst : wir küren Alexander Rudolfi.
► Galerie-Fotos von Marco Sagurna, Gabriela Jaskulla (4), Achim Engstler (1):
Als Ralf-Rainer Rygulla vor 51 Jahren die Anthologie „Fuck You“ und vor 50 Jahren zusammen mit Rolf Dieter Brinkmann „ACID – Neue amerikanische Szene“ herausgab, bliesen die dafür entdeckten Texte von Ted Berrigan, Leslie A. Fiedler, Frank O’Hara, Taylor Mead, Charles Bukowski, Andy Warhol, Tuli Kupferberg, Ron Padgett, Gerard Malanga, Leonora Kandel, William S. Burroughs oder Frank Zappa scharfe neue Töne aus dem Westen nach Europa. Ein poetischer Sturm.
Als Boss des Frankfurter Clubs Cooky’s begrüßte Rygulla Mick Jagger, Prince, Steffi Graf, Otto Waalkes oder Rainald Goetz zu Chill & Tanz als seine Gäste, seinen berühmten Techno-Club U60311 eröffnete er mit einer Lesung des Lyrikers Gerald Zschorsch; zur Buchmesse machte Suhrkamp hier Verlags-Party. Für sein Musikprojekt „Moltostuhl“ brachte der gebürtiger Kattowitzer solch unterschiedliche Musiker wie Heiner Goebbels, Heinz Felber und Rio Reiser zusammen.
Nun bereite ich zusammen mit Ralf-Rainer Rygulla ein Lesebuch vor: „Poetische Töne aus (Ost)Europa“. Versammeln wird diese Sammlung Texte von Autorinnen & Autoren aus dem Osten Europas oder mit Wurzeln dort. Für unsere Arbeitstreffen setzen wir uns April, Juli, September, Oktober und Dezember für je drei Tage in Hannover, im Westerwald und in Frankfurt am Main zusammen. Und telefonieren videokonferieren chatten smsen. Allwöchentlich.
Unsere Favoriten aus publizierten Büchern gleichen wir ab, lesen einander vor, sichten Manuskripte und kreisen die inhaltliche Ausrichtung des Lesebuches ein. Einig sind wir uns: Eine Sammlung unserer Vorlieben, das wäre zu wenig. Zu viele osteuropäische Autori*nnen haben wir idenfiziert, die zeigen uns eine grandiose Poesie, eine Dichtkraft, die traut sich, sich nicht nur selbst zu gefallen. Die geht nicht nur hinein, sondern hinaus, lyrisch zu erzählen. Sie tut, was hierzulande nicht selten an eitlem Mainstream abprallt. Poesie, die verschreckt. Die nicht die Gelegenheit hat, es sich so modisch so hochästhetisch so artifiziell gemütlich zu machen.
Wer wird nun zugreifen, mit uns gehen, mit uns den Vertrag machen? Wir sind gespannt?
20 Jahre ist es her, dass ich aus Vechta nach Hannover zog; nun komme ich zurück, um auf einem literarischen Abend aus dem Roman WARMIA vorzulesen. Und zu plaudern. Am 16. Januar ist der Saal voll im Gulfhaus, wir müssen Stühle nachstellen. Sogar aus Oldenburg und Cloppenburg reisen Gäste an.
Eingeladen hat mich die Buchhändlerin Elisabeth Vatterodt. Seit mehr als 30 Jahren holt sie Autorinnen & Autoren in die Stadt. Dass sie das nach wie vor macht: W O W ! Wo andere ob der Konkurrenz aus dem Internet ihre Geschäfte schließen, nimmt hier eine Geld in die Hand. Und belebt Kultur.
In Vechta; (m)einer Heimat für 22 Jahre; (auch heute noch) mit guten Bekannten; mit Freunden; wo ich gut studierte; wo ich gut arbeitete mit guten Kolleginnen & Kollegen.
Vechta, die Stadt von Stoppelmarkt, Basketballwunder Rasta & Poet Brinkmann. Vechta, die Stadt mit DEM Gulfhaus.
Wo ich einst – aus Frankfurt in die Schulferien zu Oma & Opa gereist – Theke machte und den Saal ausfegen half, derweil Gibbon die ersten Kippen drehte und Oli Olberding von seinem zum DJ-Mischpult umgebauten Traktor aus die Musik ins Haus bolzte: Hannes Waders, „Tankerkönig“, „Radioaktivität“ von Kraftwerk, „School“ von Supertramp oder „Schools out“ von Alice Cooper.
Wo wir anständig abtanzten und erste Knutschereien hatten.
Wo wir zahllose Konzerte sahen und feierten; Bands aus Berlin, Hamburg oder Frankfurt: Octopus, Tritonus hießen sie oder Franny and the Fireballs.
Wohin wir später – als Rolf-Dieter-Brinkmann-Gesellschaft – die Schriftstellerinnen & Schriftsteller holten. Zu literarischen Abenden.
Nun darf ich. Und Hubert Kreke macht ein Foto.
1968 und 1969 geben Rolf Dieter Brinkmann und Ralf-Rainer Rygulla drei spektakuläre Bücher mit deutschen Übersetzungen und Nachdichtungen amerikanischer Texte aus dem „Underground“ heraus: „Fuck You“, „Silverscreen“ und „ACID“ heißen sie. Das erste Mal lesen wir hier Autorinnen & Autoren wie Ted Berrigan, Leslie A. Fiedler, Edward Dorn, John Perrault, Frank O’Hara, Taylor Mead, Andy Warhol, Tuli Kupferberg, Ron Padgett, Gerard Malanga, Leonora Kandel, Charles Bukowski, John Giorno, Michael McClure und Joe Brainard.
NDR-Moderator Andreas Moll, Elektropunk Knarf Rellöm und ich feiern diese Sinnlichkeit der Worte 50 Jahre später in ausgelassener Radioparty im NDR Nachtclub. In Hamburg.
Das Roman-Manuskript will Buch werden. Wer macht’s?
Letzte Korrekturen und ein zusätzliches Kapitel, nachdem meine fünf Testleserinnen und Testleser mit WARMIA durch sind und ich deren Kritik eingesammelt habe.
Erste Recherchereise durch Nordpolen Winter 2009. Roman-Konzept 2010. Interviews mit Zeitzeugen 2011. Hintergrundlektüre: Romane, Reiseberichte, Reportagen, Erinnerungen, Poesie und insbesondere Geschichtsbücher. Schreiben. Schreiben. Zweite Recherchereise Sommer 2014. Schreiben. Schreiben. Schreiben. WARMIA ist fertig.
Auf der zweiten Recherchereise für WARMIA durch den Norden Polens komme ich dank einer Empfehlung zu grandioser Unterstützung: Viele Tage begleitet mich die Journalistin, Bloggerin und Ermland-Kennerin Izabela Treutle aus Lidzbark Warmiński (Heilsberg).
Nachdem ich fast dreienhalb Jahre das Pressebüro von Oldenburg in Oldenburg lenkte, kann ich mich für die gute Zeit in der hübschen Stadt mit einem Handbüchlein über Oldenburg und umzu bedanken; der Mitteldeutsche Verlag Halle publiziert es. Als Co-Autor gewinne ich dafür Jörgen Welp (rechts). Der kennt jeden Tag Oldenburger Geschichte, jeden Kubikmeter Oldenburger Architektur, jeden Quadratmeter Oldenburger Parklandschaft. Meinem Ex-Boss, Oberbürgermeister Gerd Schwandner (links), gefällt unser kleiner Reiseführer. Muss ja.
Für das große Vorhaben eines Romanes, dessen Konzept ich zwei Jahre zuvor aufgeschrieben habe, trainiere ich die Langstrecke: Start, Wegführung, Ziel. Krafteinteilung, Disziplin, Motivation. Antritt, Durchlauf, Zwischenspurt. Endspurt, Zieleinlauf, Durchpusten. Kann ich erzählen? Das herauszufinden, bringe ich Fabuliertes über eine Selfpublishing-Plattform kostenneutral und bescheiden gedruckt bequem unter einige Dutzend Testleser:innen.
Zweite Komponente dieses Schreibexperimentes ist, dass ich zwei Versionen einer Geschichte einmal in Hessen ansiedele (und hier viel hessische Mundart verwende) und einmal in Niedersachsen, schön hochdeutsch verfasst.
Möglich ist ein authentisches Hineispiegeln, weil sich Hofheim am Taunus zu Frankfurt am Main so verhält wie Gehrden am Deister zu Hannover. Dieselbe fiktive Handlung kann ich nachvollziehbar in beide Landschaften hineinschreiben.
Weil es hüben wie drüben einen von vornehmlich gut betuchten Leuten bewohnten Berghang gibt, aus dessen Villen und Häusern man bei gutem Wetter bis hinüber in die Großstadt schauen kann. Weil zwischen beiden Städtchen am Berg und beiden Großstädten Obstanbau betrieben wird. Und weil sich die Gefühle der Fußballfans von Eintracht Frankfurt zu Kickers Offenbach ziemlich so verhalten wie die von Hannover 96 zu Eintracht Braunschweig. Details, die wichtig sind für den Rahmen der Handlung. Ohne glaubwürdige Umgebung keine glaubwürdigen Romanheld:innen.
Experiment geglückt. Das Erzählte wird gerne gelesen. Nun kann ich es wagen, mich in den Text meines Romans Warmia zu begeben – 2022 erscheint er im Kulturmaschinen Verlag.
2024 dann greife ich mir das Material meines Experimentes, breite es vor mir aus, schmeiße weg, mische frisch und baue um, streiche und markiere zu erarbeitendes Neues. Ab jetzt wird sie, die echte fiktive Geschichte: eine Novelle. Juni 2025 wird sie geschrieben sein.
Bevor es an den Roman geht, versuche ich mich am Erzählen. Wer gewohnt ist, nicht mehr zu schreiben als 250 Zeitungszeilen lang, muss sich die Epik erstmal erarbeiten. Und ausprobieren. Gekaperte Lesungsgäste an meinem 50. Geburtstag hören mir die halbe Stunde gut zu. Da geht was.
In der Villa Verdin am Millstätter See entstehen Konzept und Aufbau des Romans WARMIA. Ein guter Ort für das Schreiben. Wenn ich hier arbeite, schaffe ich in drei Stunden vorm Frühstück soviel, wie daheim am ganzen Tag.
Zum Abschluss der ersten Recherche-Reise für den Roman WARMIA geht es nach Gdansk (Danzig). Den finalen Recherche-Wodka nehme ich mit Susanne Uhlmann auf der großartigen Ulica Piwna. Ein Bild Coole Sau muss sein.
Zu Gast bei Bischof Godfrey de Rozario, Pater Pablo, den Pfarrern Malcom und Francis sowie Haushälterin Gajara im Bishop’s House in Baroda.
Zusammen mit Father Malcom besuchen Susanne U. und ich Schulen, die das Bistum Baroda betreibt (Bild), unabhängig von deren Religionszugehörigkeit für Kinder, die sonst kaum die Chance auf regelmäßiges Essen und Schulbildung hätten. Vor allem für die in Dörfern tief im Landesinneren lebenden sogenannten „Tribals“, die ansonsten ausgenutzt und chancenlos um das tägliche Überleben kämpfen. Um ein Stück Brennholz, um etwas Getreide, um eine Schale Milch. Fünf der Schulen besuchen wir.
Zusammen mit Bischof Godfrey und Gefolge feiern wir Heilig Abend die Mitternachtsmesse in der schrill erleuchteten Kirche von Baroda. Und besuchen danach noch bis hinein in den Morgen die Ordensschwestern eines nahe gelegenen Klosters. Im ansonsten alkoholfreien Bundesstaat Gujarat gib’s dort – zur Ausübung der Religion – einige Glas Messwein.
Auch gehen wir auf Exkursion mit Professor Natarajan und seinen Studentinnen. Wir besuchen eine der besten Kunst-Hochschulen Indiens: die Faculty of Fine Arts der Maharaja Sayajirao University of Baroda. Und das Atelier in einer ehemaligen Industriehalle, das eine Unternehmerin für ein Dutzend Kunst-Absolventen zur Verfügung stellt. Für die Miete von einer künstlerischen Arbeit pro Jahr.
Netzwerkwirbelwind & Bildungsguru Achim Schreier holt mich als Pressesprecher und Projektleiter zum vorbildlichen Public Private Partnership n-21 – Schulen in Niedersachsen online.
Mit Vertrag über zwei Jahre mache ich den Pressesprecher und organisiere Online-Redaktionen von Schüler-Reporter*innen sowie den Wettbewerb Internet@tlanten, für den Schulklassen Internetseiten erarbeiten und bauen. Im Literatur@tlas etwa über Leben und Werk einer Schriftstellerin aus ihrer Gegend, im Technik@tlas über die heimische Konservendosen-Fabrik, im Geschichts@tlas über die Auswirkungen von Nazi-Diktatur und Weltkrieg II an ihrem Schulort. Oder im Käfer@tlas über das Leben der Waldameise im heimischen Forst.
Die nachwachsende Generation brennt für solche Bereicherung ihres Stundenplans – und bekommt diese Chance nur deshalb, weil einige wenige Lehrkräfte ihren Beruf wirklich beherzt und kraftvoll ausfüllen. Und weil einige wenige Unternehmer*innen wie einige wenige Politiker*innen ihre Verantwortung leidenschaftlich und vorausschauend leben: Internet und Multimedia gehören zum Alltag wie das ABC. Hätten das zu diesem Zeitpunkt mehr Menschen erkannt, die Umstellung online 15 Jahre später für den Corona-Lockdown in Schule und Beruf wäre nicht so erbärmlich gewesen.
Nachdem die ersten beiden Ausgaben der Literaturzeitschrift EISWASSER noch im Sagurna Verlag erscheinen, gründen wir Ende 1996 zu sechst den Eiswasser Verlag, für den ich erst zusammen mit Cornelius Riewerts und später allein die Geschäfte führe.
In EISWASSER stellen wir in Erstveröffentlichungen wie Erstübersetzungen europäischer Literatur vor; unsere Länder-Anthologien bringen frische Texte aus Finnland, Griechenland, Irland, Norwegen, Schweiz und Wales. Dazu machen wir Bücher: mit und über Dichtung und Geschichte. Zusammen mit Autorinnen und Autoren präsentieren wir die Publikationen in Brake, Frankfurt am Main, Goldenstedt, Oldenburg i.O., Hamburg, Hannover, Lötzbeuren, Solothurn und Vechta. Immer mal wieder organisieren wir – zumeist in Kooperation mit der Rolf-Dieter-Brinkmann-Gesellschaft – literarische Veranstaltungen. 2004 werden wir für unsere Arbeit mit dem Niedersächsischen Verlagspreis geehrt. Im selben Jahr lädt uns die kleine feine Buchmesse BUCHLUST ins Künstlerhaus nach Hannover ein (Bild). Jedes Jahr an einem Wochenende im Spätherbst dürfen dort so zwei Dutzend „beste“ unabhängige Buchverlage zeigen, was sie haben und können.
Unglücklicherweise aber verhält es sich mit vielen Unternehmens-Gesellschaftern mitunter so, wie mit vielen Köchen, die einen Brei verderben. Unter zweien von uns gibt es Streit, dass es kracht. Der Streit strahlt aus auf das große Ganze. Und eine ansonsten großartige Zeit endet 2005.
Auf Einladung von Professor Natarajan darf ich zwei Monate lang als Gastdozent am Department of German der Maharaja Sayajirao University of Baroda in Indien weilen.
Meine Seminare: „Gegenwartsliteratur“ und „Deutsche Tageszeitungen“ bei den Germanisten. Mit den Journalisten mache ich Workshop: „Medienlandschaft in Deutschland“.
Sechs aktuelle Romane – je drei – für die Studentinnen bekomme ich von den Verlagen spendiert. Zwei Monate vor Dienstantritt in Indien schicke ich die Bücher nach Baroda, die Tageszeitungen – je drei FAZ, taz und BILD sowie Kreiszeitung Syke, Neue Presse Hannover und Oldenburgische Volkszeitung vom selben Erscheinungstag – nehme ich mit ins Fluggepäck.
In Dreiergruppen wird die jeweilige Publikation gelesen, erarbeitet und an ausgewählten Beispielen vorgestellt. In der Germanisten-Bibliothek sitze ich hier im Bild zusammen mit meinen Lieblings-Studentinnen Yesha, Rujuta, Payal, Dhara, Vibha und Shrida. Neben Professor Natarajan und Bauunternehmer Adil Kontraktor, mit dem ich beim Tee nach dem Frühsport im Park Kamati Baug ins Gespräch komme, sind es die sechs Studentinnen, die mir immer wieder auf Ausflügen und Exkursionen ihre Stadt und ihr Land zeigen.
Auf die Reise nach Indien bringt mich mein Vechtaer Freund Christoph Grote zum Flughafen nach Frankfurt. Und verabschiedet mich mit einem Überraschungs-Geschenk: Eine Internetseite hat er mir eingerichtet. Auf der habe ich fortan zu berichten. Täglich. Mein Indien-Tagebuch. Von Internetcafés aus schreibe ich und stelle noch auf Papier entwickelte Fotos ein. Ja, täglich. Stromausfälle beeindrucken mich nicht; fang ich eben an von vorn. Und meine Studentinnen chatten mit mir auf der Seite.
Dank Gunter Geduldig, dem damaligen Leiter der Vechtaer Uni-Bibliothek, können wir die Bibliothek der Germanisten in Baroda später um fast 600 Bücher ergänzen. Die in Vechta abgeholte Lieferung frei Haus stiftet uns die Deutsche Post DHL.
Nach diesem überwältigenden Gastspiel in Indien, sind ein Jahr Professor Natarajan und ein anderes Studentin Shrida unsere Gäste in Hannover. Außerdem macht Bischof Godfrey de Rozario von Rom aus Station bei uns. Den indischen Kirchenmann habe ich ebenfalls in Baroda kennen gelernt.
Auf dem Foto zusammen mit dem großen Dieter Wellershoff. Der Schriftsteller und ehemalige Lektor im Literaturverlag Kiepenheuer & Witsch kommt zu uns nach Vechta auf Einladung der Rolf-Dieter-Brinkmann-Gesellschaft, für die ich fast 20 Jahre lang im Vorstand bin.
Als Stars auf unseren Literarischen Abenden wie anderen bunten Veranstaltungen um Text, Klang und Bild haben wir wunderbare wie wundersame Gäste:
Die Dichterinnen und Dichter Christoph Wilhelm Aigner, Ingvar Ambjørnsen, Henning Ahrens, Theo Breuer, Markus Bundi, Peter O. Chotjewitz, Ulrike Draesner, Kurt Drawert, Urs Faes, Beat Gloor, Dieter M. Gräf, Ulla Hahn, Michel Hamburger, Andreas Hausfeld, Hans-Jürgen Heise, Vigdis Hjorth, Sarah Kirsch, Jan Kjærstad, Roland Koch, Jan Koneffke, Dagmar Leupold, Hermann Peter Piwitt, Jamal Tuschick, Horst Samson, Karin Struck, Jürgen Theobaldy, Richard Wagner, Peter Waterhouse, Dieter Wellershoff, Wolf Wondratschek, Annemarie Zornack und Gerald Zschorsch;
die Übersetzerin Gabriele Haefs;
den damaligen Programmchef des Suhrkamp-Verlags, Rainer Weiss;
die Dramatiker Liermann und Weiss;
den Schauspieler Klaus Maria Brandauer,
die Literaturkritiker Hellmuth Karasek und Heinrich Vormweg;
die Germanisten Joachim Dyck und Hermann Rasche;
den Komponisten Hans-Joachim Hespos;
den Künstler Dietrich „Emi“ Ehmann;
die Kölner Liedermacher und Schriftsteller Bert Brune und Jens Hagen
sowie Weggefährten Rolf-Dieter Brinkmanns: die Autorin Ingeborg Middendorf und den Literaten, Poeten, DJ und Gastronomen Ralf Rainer Rygulla.
Zauberhaft geht es zu auf den Solothurner Literaturtagen. Zusammen mit meinem alpenländischen Mitherausgeber Markus Bundi und Heft-Redakteurin Susanne Uhlmann feiern wir Buchpremiere in Solothurn: EISWASSER schweiz.01.
Auch lerne ich dort den in Indien lehrenden Germanisten Arupon Natarajan kennen, der mich einlädt, als Gastdozent mal an seine Universität zu kommen. Ein Jahr später folge ich der Einladung nach Indien.
Zu fünft sind wir seinerzeit in der Redaktion Kultur – Neue Presse Hannover: Angemessene Besetzung für angemessene Begleitung der anfallenden Themen. Und fünf Monate lang habe ich das Privileg, in jenes interdisziplinäre Team berufen zu sein, das auf dem Messegelände Redaktionsräume bezieht, um von der ersten Weltausstellung im neuen Jahrtausend zu berichten.
Zu verdanken habe ich das einem wahren Schlachtross an Chefredakteur: Erwin Lutz; zuhause auf dem Boulevard, kolossaler Blattmacher und kompromisslos für die Sache. Eine liebenswert kantige Persönlichkeit, die auch kompromisslos ist, wenn es gilt, sich vor seine Leute zu stellen.
Weltausstellung – „Die Welt zu Gast in Hannover“ – und auf dem Gelände entfaltet sich die Kraft dieses Slogans. Für den Teil der Welt, dem man bei so einem Spektakel begegnen kann – und das ist überraschend viel mehr als erwartet.
Wie alle in unserer aberwitzigen Kampfgruppe EXPO 2000 : Ich begegne. Der Welt. Jeden Tag. Von morgens bis in die Nacht. Peter Stein und seiner 22-Stunden-Inszenierung von Goethes Faust etwa. Oder Sheik Abdul Al Rshara, der mir seine Vereinigten Arabischen Emirate vorstellt.
Auf seinem Künstlerhof in Lötzbeuren im Hunsrück stelle ich Jörg Steins Lyrikband Nächtlinge vor. Steins Jörg kann Kunst. Bilden und schreiben. Ein Großer.
Den 4. Dezember 1998 macht die Oldenburgische Volkszeitung zum „Tag des Gedichts“. Und schreibt damit Zeitungsgeschichte. Ein winzigkleines Stück Zeitungsgeschichte. Aber ein kühnes.
An jenem Freitag, es ist der Geburtstag Rainer Maria Rilkes, erscheint auf jeder – technisch möglichen – Seite ein Gedicht. 43 sind das, bei 56 Zeitungsseiten: Rilke platziert neben Kindergeldausgleich, Karl Krolow neben Bad Pyrmonter Geiselnahme, Ror Wolf über dem Wetter und Johann Wolfgang von Goethe neben der CeBIT in Erwartung eines Ausstellerrekordes. Oder im Anzeigenteil: Gerald Zschorsch zwischen den neuen Fahrradmodellen von BÜLD und nordlufts wärme-lüftungstechnik, Rolf Dieter Brinkmann unter der Nikolaus-Party von Kramer-Rüschendorf, Horst Samson unter Bruno Kleines Herren-Hemden – große Auswahl. Und C.W. Aigner neben Krapps Vorführtag Original-italienische Espresso-Maschinen.
Die Poesie sei „die edelste Verwandte des Journalismus“, so formuliert es unser Chefredakteur, Literaturfreund und Leseförderer Cornelius „Conny“ Riewerts, dem ich den Vorschlag für diesen „Tag des Gedichts“ einige Wochen zuvor beim Feierabendbier mache; im Alten Pferdestall bei Torte & Ulla und – die Materie projektorientiert vertiefend – in Hannas Wirtshaus Zur Quelle. Der Chef überschläft die Idee eine Nacht. Und steigt ein: Die Ausgabe mit dem “Tag des Gedichts“ möge dieses eine Mal den Spruch widerlegen, dass nichts so alt sei, wie die Zeitung von gestern. Angefixt mit voran treibt die Sache auch der Redakteurs-Kollege und vorzügliche Lyriker Dirk Dasenbrock.
Anfangs im ganzen Hause für verrückt erklärt, können wir schließlich sowohl in der Redaktion als auch in der Technik lyrisches Entzücken entfachen. Die Lokalredaktion sucht die Poesie regional bedeutender Autorinnen & Autoren selber aus, die Sportredaktion liefert sportliche Lyrik, und durch die Setzerei schallt Gelächter, nachdem wiedermal ein Gedicht rezitiert und zwischen die Anzeigen aufs Montagebrett geklebt wurde. Am Computer-Bildschirm wurde die Zeitung seinerzeit erst teilweise gesetzt, gestaltet und für den Druck vorbereitet.
Unser Projekt funzzt: Zum ersten Mal meldet die Oldenburgische Volkszeitung ihre Auflage ausverkauft. Leserinnen & Leser rufen vergnügt an, schicken Dankes-Karten. Bundesweit berichten die Medien über unseren „Tag des Gedichts“, einen Sonderpreis des Deutschen Lokaljournalistenpreises gibt es dafür; in der Jury sitzen so feine Menschen wie etwa Dieter Golombek, der Erfinder des Preises aus der Bundeszentrale für Politische Bildung; etliche Zeitungen lassen sich anregen für einen „Tag des Gedichts“ ihrerseits. Geiles Ding.
Im Goldenstedter Naturschutztempel Haus im Moor dürfen wir auf Einladung von Bürgermeister Willibald Meyer EISWASSER – Echte Blüten vorstellen, eine Ausgabe mit moderner deutschsprachiger Naturlyrik. Im Bild: Buchhändlerin Ursula Schüssler, Dichter Horst Samson, ich, Mitherausgeber Dirk Dasenbrock, Blüten-Redakteurin Susanne Uhlmann, Dichter Henning Ahrens und Journalist Giorgio Tzimurtas.
Gut 13 Jahre mache ich Tageszeitung. Während des Studiums als freier Mitarbeiter, seit dem Volontariat im Traumberuf Redakteur; 1992-94 Verlagsgruppe Ippen, 1999 bis 2002 Neue Presse Hannover und dazwischen vier Jahre die großartige Redaktion „Kultur & Unterhaltung“ bei der OV : Oldenburgische Volkszeitung (Bild). In Vechta. Chefredakteur ist der belesene Weltgeist Cornelius Riewerts (†); zusammen mit Conny – wie wir ihn nennen – und anderen (mit)gründe ich auch die Rolf-Dieter-Brinkmann-Gesellschaft wie den Eiswasser Verlag.
Als der Lyriker, Journalist, Germanist, Goldenstedter & Bremer Dirk Dasenbrock und ich 1994 die Literaturzeitschrift Eiswasser gründen, muss ich über Dirks Titelvorschlag nicht nachdenken: Eiswasser – zwei Aggregarzustände in einem Wort; dazu die Anspielung auf ein krasses Poesie-Fragment Rolf Dieter Brinkmanns, posthum publiziert in dem schönen bei Rowohlt erschienen Buch „Eiswasser an der Guadelupe Str.“ -, das passt perfekt.
Im „Auftrag der Vechtaer Rolf Dieter Brinkmann Gesellschaft“ geben wir fortan etliche Eiswasser zusammen heraus, die ersten beiden Hefte noch in meinem winzigen Sagurna-Verlag, dann in der Neugründung Eiswasser Verlag. Wir schaffen es, viele viele Lieblingsdichter*innen zu Erstveröffentlichungen bei uns zu verlocken: Henning Ahrens, C. W. Aigner, Michael Buselmeier, Kurt Drawert, Ulla Hahn, Andreas Hausfeld, Hans-Jürgen Heise, Sarah Kirsch, Wulf Kirsten, Ursula Krechel, Günter Kunert, Christoph Meckel, Hellmuth Opitz, Heinz Piontek, Anja Ross, Horst Samson, Lutz Seiler, Jörg Stein, Sabine Techel, Jürgen Theobaldy, Hans-Ulrich Treichel, Ralf Rothmann, Ernst Wichner, Wolf Wondratschek oder Annemarie Zornack.
Dank Herausgeber*innen wie Hermann Rasche; Gabriele Haefs, Lasse Morten Johannesen, Cornelius Riewerts & Bill McCann; Giorgio Tzimurtas & Rodi Assimi; Markus Bundi; Gunter Geduldig; Joachim Gerdes & Dagmar Mißfeld, stellt Eiswasser neben der deutschen auch andere Literaturen Europas vor: aus Irland, Norwegen, Griechenland, Finnland, Schweiz und Wales, mit von exzellenten Übersetzer*innen ins Deutsche übertragenen Texten. Etwa von Ingvar Ambjørnsen, Donata Berra, Sibylle Berg, Bo Capelan, Maro Douka, Urs Faes, Rhea Galanaki, Beat Gloor, Zoë Jenny, Klaus Merz, Jostein Gaarder, Jan Fosse, Tatiana Gritzi-Milliex, Peter Finch, Bergliot Hobæk Haff, Seamus Heaney, Rita Ann Higgins, Annika Idström, Tove Janson, Anja Kauranen, Østein Lønn, Pavlos Matessis, Catherine Merriman, Timo K. Mukka, Bernice Rubens, Tim Saunders, Antii Tuuri, Aglaja Vetarani, Nils-Aslak Valkepää oder Urs Widmer. Aufregende Begegnungen.
Im Bild: Dirk Dasenbrock, Hermann Rasche (von der National University of Ireland in Galway) und ich auf der Herausgeber-Sitzung für unser erstes Länder-Heft: Eiswasser Irland special / 4. August 1996, Annabergstraße 7, Vechta (v.l.n.r.); Foto: Cornelius Riewerts
Frankfurter Buchmesse, der Aachener Alano Verlag präsentiert unser Dichter-Buch: „too much – Das lange Leben des Rolf Dieter Brinkmann“. Darauf stoße ich mit Mitherausgeber Gunter Geduldig an; der ist auch Präsident der Rolf-Dieter-Brinkmann-Gesellschaft; fast alle Zeit ihres 20-jährigen Bestehens.
Zwei Jahre lang – oder waren es drei? – waren wir für „too much“ durchs Land gereist. In Berlin, Frankfurt am Main, Köln, Osnabrück und daheim in Vechta hatten wir Weggefährten wie kritische Begleiter Rolf Dieter Brinkmanns getroffen. Mit ihnen über den Dichter und sein Werk gesprochen. Und oder sie um Text gebeten.
Hermann Peter Piwitt, Jan Koneffke, Marcel Reich-Ranicki, Ralf-Rainer Rygulla, Joachim Sartorius, Heinrich Vormweg, Richard Wagner, Dieter Wellershoff und andere; das Buch versammelt illustre Namen der Literatur sowie Bekannte und Freunde Brinkmanns.
So ein halbes Jahr lang scheint es, als interessiere sich außer uns selbst keiner für dieses Buch, dann – hüstel hüstel – bricht ein Rezensions-Sturm los. Nachdem Die Welt ihre Kultur mit „too much…“ aufmacht, kommt die taz mit einer Doppelseite, Die Woche mit fast einer Seite, die FAZ bringt einen anständigen Riemen; umfangreiche Besprechungen kommen in Frankfurter Rundschau, Süddeutsche Zeitung, Neues Rheinland, Junge Welt und und und. Den einzigen Verriss schreibt ausgerechnet die Zeitung, mit der ich in Frankfurt aufgewachsen bin: die FR. 26 Besprechungen habe ich archiviert. Wer sich auch sekundär mit dem Dichter Rolf Dieter Brinkmann beschäftigt, die der kommt an „too much…“ nicht vorbei. So ist das.
Unser Interview mit Brinkmanns langjährigem literarischen Mitstreiter und Kollaborateur Ralf Rainer Rygulla publiziert die tageszeitung vorab in Ausschnitten: „Es genügten ihm seine Empfindungen der Welt gegenüber“.
Nach dem Volontariat 1987 und ’89 in Frankfurt bei Suhrkamp im Theaterverlag bin ich an den Bühnen des Nordens als Kritiker für Tageszeitungen unterwegs. Unter anderem für die Verlagsgruppe Ippen. Die Kultur leitet dort Rainer Beßling, der sich insbesondere in den Galerien und Museen als profunder Begleiter der Gegenwartskunst einen Namen gemacht hat. Unsere Begegnungen haben wir allerdings immer wieder auf den Theater-Premieren – auch am Bremer Theater (im Bild: ein Programmheft-Titel aus ’89).
Irgendwann fragt mich Rainer, ob ich nicht Lust habe, als Volontär zu ihm zu kommen. Ich entscheide mich gegen ein weiteres Angebot der Ausbildung bei einem privaten Fernsehsender und gehe gleich nach Beendigung des Studiums nach Syke: Tippen für Ippen.
Vor den Toren Bremens, bei der Kreiszeitung wird dort der sogenannte Mantel für mehr als ein Dutzend Zeitungen produziert – so schöne Titel sind darunter wie etwa das Fehmarnsche Tageblatt, die Wildeshauser Zeitung, das Diepholzer Kreisblatt oder die Altmark Zeitung. Für die Kultur bin ich auf Ausstellungen, (Rock-)Konzerten sowie im Theater unterwegs; schnell verantwortlich für die Jugendseite, nehme ich an den Wochenenden die Festivals mit wie sie kommen. Dazu bekomme ich das Wochenend-Magazin, wo ich mir Themen nach Wahl für die ganzseitige Titel-Reportagen greifen kann.
Dass ich nur einen einzigen Tag in einer Lokalredaktion verbringe, stört mich nicht. Als freier Mitarbeiter für die Oldenburgische Volkszeitung (OV) kenn ich das Lokale runter und rauf. Nach zwei Jahren werde ich als Redakteur übernommen, noch ein halbes Jahr, da klingelt auf meinem Schreibtisch in Syke das Telefon: Chefredakteur Cornelius Riewerts von der OV aus Vechta meldet sich mit seinem Angebot: Verantwortlicher Redakteur für Kultur und Unterhaltung. Ich wechsele. Es ist so: Ein Traum wird wahr.
TONALE KOHORTE nennen wir unsere Band für die Auftritte beim Frankfurter Festival „tiefoben“ der Gruppe Kunst im Park (um den Künstler Jörg Stein herum) auf dem Römerberg. Wir spielen auf Archäologie: im Schwitzbad einer römischen Therme direkt vor dem Frankfurter Dom. Bass Lutz Gritzka, Gitarre Rainer Gritzka, Keyboards Martin Nemann, Stimme Marco Sagurna, Schlagzeug Stefan Salhoff und Keyboards Jens Wiemken. Was für sensationelle Tage.
Als SODOM & GOMORRHA sind Stefan, Rainer und ich schon 1987 auf dem Festival „mehrgleisig“ der Gruppe Kunst im Park im Frankfurter Südbahnhof aufgetreten. Unser Programm: Die „Variation dreier Wörter mit Stimme, Schlagwerk und Gitarre“.
SODOM & GOMORRHA: „Sodom und Gomorrha – Die Variation dreier Wörter mit Stimme, Schlagwerk & Gitarre“ – Mitschnitt aus der Livesendung „RIZZ“, Radio Bremen 10.6.1987; Moderator Otmar Willi Weber (OWI); aus der Uni-Aula Vechta
TONALE KOHORTE: „To be happy“ – Studioversion (englisch)
TONALE KOHORTE: „Pferde gestriegelt“ – Studioversion
Berauscht noch von der Lektüre der Biografie von Peter Suhrkamp (aus dem niedersächsischen Kirchhatten, nah Vechta) in Vorbereitung meines Dienstantritts fahre ich am Montag, den 3. August 1987 auf den Parkplatz der ehrwürdigsten deutschen Verlagsdresse: Lindenstraße 29-35 in Frankfurt am Main. Parke. Und gehe berauscht also auf die Straßenseite gegenüber in die Villa des Suhrkamp Theater Verlags. Dort ist für mich, den Studenten der Uni Vechta, ab heute der Arbeitsplatz.
Theaterverlagsboss Rainer Weiss heißt mich willkommen, ebenso Lektor Manfred Ortmann. Und Frau Retzlaff. Kaffee und Start gleich in die Morgenkonferenz. Kein langes Gefackel, Ortmann drückt mir die lektorierte Fassung des 3. Teils der Trilogie von Edward Bonds „Die Kriegsspiele“ in die Hand, bittet mich um meinen korrektiven Blick und entsprechende Einarbeitung in eine unbearbeitete Kopie des Originalmanuskripts.
Den Kopf tief im großartigen Bond, schallt es plötzlich aus dem Foyer, von dem alle anderen Büros abgehen: »Gehört hier jemandem der blaue Fiat Ritmo mit dem Kennzeichen VEC OM 26? Aua – allerdings. Ich erschrecke, mit rotem Kopf stehe ich auf und gestehe dem Mann mit der Chauffeursmütze unterm Arm: „Ja, das ist meiner“. Er, höflich und unaufgeregt: »Sie stehen auf dem Parkplatz von Herrn Unseld, bitte fahren sie den weg!« Bis mein blauer Fiat anspringt, wartet der blaue Jaguar geduldig.
Bei Suhrkamp volontiere ich in den langen Semesterferien 1987 und 1989. Die große Lust: Am legendären Spectaculum darf ich mitarbeiten; eingehende Manuskripte bekannter wie unbekannter Autorinnen und Autoren lese und begutachte ich; Texte bekannter Autoren sind selbstredend wohlgesonnen zu begutachten; fast jeden Abend besuche ich eine Aufführung: in Staatsschauspiel, an städtischer oder freier Bühne.
Mentor Rainer Weiss ist der spätere Suhrkamp-Programmchef; 2008 gründet er seinen eigenen Buch-Verlag: weissbooks. Aus meiner Arbeit bei Suhrkamp ergibt sich weiteres Tun: als Theaterkritiker schreibe ich für Tageszeitungen über die Premieren in Bremen, Hamburg, Hannover, Oldenburg und Osnabrück.
Dank DAAD-Stipendium kann ich von Herbst bis Frühjahr in Frankreich studieren: Literatur und Sprache. Und die Loire-Weine. Die Mensa in Angers ist ungenießbar unterirdisch indiskutabel – als erfahrener Kantinenmittagesser seit dem 5. Lebensjahr darf ich das sagen -, also ernähre ich mich unter der Woche tagsüber von Croissants, Milchkaffee & Tomaten sowie abends von Baguette, Ziegenkäse & Saumur. Samstagsonntag wird das Stipendium in anständigen Restaurants in anständige Acht-Gänge-Menüs investiert. Unterwegs bin ich oft mit dem wunderbaren Roberto Menichetti; der Kulturwissenschaftler aus der Toskana verehrt die Literatur, die Frauen und Juventus Turin.
„Hast Du Lust mitzukommen ins Bierzelt nach Enkheim zum Stadtschreiber-Fest? Da sind immer allerhand Leute. Das ist nett. Außerdem stelle ich Dir da den Ludwig Fels vor. Das ist ein ganz wunderbarer Autor.“ Als mich Klaus Roehler einen Tag im September 1986 anruft, weiß ich noch gar nicht, was das ist: ein Stadtschreiber. Aber der Klaus ist ein feiner Mensch und ein großer Lektor, mich mit ihm treffen zu dürfen, ist mir Ehre wie Vergnügen. Ich sage zu. Natürlich.
Und nächsten Tag im prall gefüllten Festzelt sitze ich neben ihm an einem langen langen Biertisch zusammen mit Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki, Frankfurts Kulturdezernent Hilmar Hoffmann, Suhrkamp-Lektor Rainer Weiss und den Schriftstellern Erich Fried, Peter Härtling, Gerald Zschorsch, Gerhard Köpf und eben Ludwig Fels. Eine gute Umgebung für mich Nachwuchsautor.
Reich-Ranicki erkundigt sich nach dem Nachwuchs des Suhrkamp-Lektors, der Kulturdezernent verabschiedet festredend den scheidenden Stadtschreiber Fels und würdigt das Stadtschreiberwesen an sich, Zschorsch pöbelt dabei lautstark „Mensch Hoffmann, das haben wir schon alles heute Morgen in der FAZ gelesen!“, und Härtling laudatiert Köpf als den neuen Stadtschreiber von Bergen-Enkheim. Bierstark und hochliterarisch nehmen die Dinge ihren Lauf.
In kleiner Runde sitzen wir noch im nahen Speiselokal „Alte Post“ launig beieinander. Am Ende lädt mich Fels – den ich inzwischen ludwige – ein, im Gästezimmer bei ihm im Stadtschreiberhaus zu nächtigen. Wir schlafen aus, frühstücken, dann begleitet mich Ludwig zur Straßenbahn. Auf einem Weg, an dem eine schon offene Apfelweinwirtschaft liegt. Und so fünf, sechs, sieben, acht gerippte Glas später mache ich mich tatsächlich auf den Weg. Nach Hause zu meiner Mutter nach Frankfurt Zeilsheim. Ich sage ihr, mein Rausch sei wichtig zum Wohle der Literatur und lege mich sofort ins Bett.
Von Ludwig Fels, diesem wunderbar unakademischen Wortschöpfer, lese ich fortan großartig Erzähltes: „Ein Unding der Liebe“, „Die Sünden der Armut“ – und seine Gedichte natürlich; immer wieder seine Gedichte. Bei Rainer Weiss im Suhrkamp Verlag volontiere ich Jahrs drauf.
Mit dem „Buch der Stunden“ bewerbe ich mich für ein in „Die Zeit“ ausgeschriebenes Autorenseminar bei der Bertelsmann-Stiftung. Und darf jubilieren. Aus hundertpaarundsechzig Einsendungen gehört auch mein Text zum auserwählten Dutzend. Reist mit mir ins Europäische Übersetzer-Kollegium nach Straelen.
In Nordrhein-Westfalen, einen Steinwurf von Holland, wo sonst namhafte Übersetzer*innen an Texten feilen, dürfen nun wir Nachwuchsautor*innen uns der Expertise stellen. Für eine Woche Herberge, Text und Kritik. Diplomatie ist dabei unliterarisch. Der Text liegt auf dem Tisch, die Vorzüge des Lobs liegen im Tadel. Wir sollen etwas mitbekommen von unseren Mentoren.
Meiner ist Klaus Roehler, Schriftsteller und Lektor von Günter Grass. Die beiden anderen Mentoren sind Christoph Buchwald (Hanser Verlag) und Roman Ritter (Bayerischer Rundfunk). Dazu kommen nachmittags weitere Experten zum Vortrag aus dem Literaturgeschäft: ein Anwalt für Urheberrecht und der Hörspielchef des WDR. Vom Alltag des Dichterlebens erzählt uns die Schriftstellerin Ursula Krechel bis hinein in die Nacht.
Texte zweier Nachwuchskollegen werden denn auch in „Größenwahn“ und „Eiswasser“ publiziert: von Daniel Grolle (der vor Straelen mehrere Monate mit Rüdiger Nehberg am Amazonas unterwegs war, um das Leben der Yanomami-Indianer zu erkunden) sowie von Jan Koneffke (den wir dann auch von der Brinkmann-Gesellschaft aus einladen nach Vechta, wo er uns spektakuläre Gedichte vorstellt aus seinem Buch „Gelbes Dienstrad wie es hoch durch die Luft schoss“).
Im Frühjahr 1982 starte ich an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main ins Studium der Literatur. Zwei Professoren verdanke ich Erstbegegnung mit prägender Dichtung: Winfried Frey führt mich ins Mittelalter zu Oswald von Wolkenstein, Volker Bohn in die Moderne zu Gottfried Benn. Nach einem Semester ruft mich die staatsbürgerliche Pflicht zum Zivildienst. Weil inzwischen Opa gestorben ist, miete ich mich bei Oma in Vechta ein und trete gleich in der Nachbarschaft beim Malteser Hilfsdienst meine Zivi-Stelle als Sanitäter an. Die WG mit Oma ist ein Traum, ich bleibe zum Weiterstudieren: an der Universität in Vechta. Die gibt’s.
Und in der Germanistik haben wir dort vier grandiose Professoren; allesamt brennen sie mit Expertise für ihre Themen: Otto Hannes Dörner stößt mich auf Rolf Dieter Brinkmann, Wilfried Kürschner erweckt in mir die Liebe zur Grammatik, Edgar Papp liest mit uns das Mittelhochdeutsche lebendig, und mit Jürgen Thöming entdecken wir Literatur im Widerstand. Jeder nach seiner Fasson, unterstützen die Herren uns traumhaft.
Bei anderen Lehrenden dagegen nimmt das Studium mitunter solch groteske Züge an, dass das Eigentliche dem Sekundären zugrundeliegende nicht mal mehr zur Sprache kommt: das schriftstellerische Werk. Wahrscheinlich lesen sie es gar nicht.
Die ansteckend animierenden Gelehrten zum einen, die papiernen Dampfplauderer zum anderen, das weckt Entdeckergeist wie es Handlungsbedarf schafft: Wir publizieren unsere eigene Literaturzeitschrift; für eigene Texte und für die anderer Autorinnen und Autoren.
Unsere in wechselnder Besetzung herausgegebene Schrift nennen wir nach einem berühmten Wiener Künstler-Café: GRÖSSENWAHN. Das mit dem historischen Café macht sich gut, ist aber zweitrangig; GRÖSSENWAHN – insbesondere aus Vechta heraus kann das was.
Die Hefte, sechs Stück werden es, stellen wir auf literarischen Partys in der Aula der Vechtaer Universität vor; teils von einem mitunter sehr bunten Mix Life-Musik begleitet. Selber mischen wir GRÖSSENWAHN-Herausgeber musikalisch auch mit: Jens Wiemken macht Jetarn, das ist multimedial von irgendwie rückgekoppelten Fernsehbildern begleiteter Synthi-Pop, Damian Ryschka dirigiert den sensationellen Männergesangverein Kroge-Ehrendorf, ich singe für die Brachialcombo SODOM UND GOMORRHA und für die TONALE KOHORTE. Wir machen – tja, was machen wir: Avantgarde Rock, darunter kann man sich alles vorstellen und nichts; klingt halt irgendwie geil.
Wenn dazu noch schrille Bremer Waver kommen oder die Vechtaer Punks der Meinrath von Hindenburg Corporation, dann wird es lebhaft im Saal. Die Punkband kann nur mit Mühen davon überzeugt werden, dass das akustisch wie optisch schon sehr effiziente Zerflexen von Ölfässern auf der Bühne keiner Ergänzung mehr durch ein zu schlachtenden Huhn bedarf; berechtigte Kritik an Massentierhaltung hin oder her.
Drucken lassen können wir die GRÖSSENWAHN-Auflage von 300 Stück gegen eine Kiste Bier plus Materialkosten in – pssst – einer Amtsdruckerei im benachbarten Diepholz. Die Pappeinbände fertigen wir teils im Siebdruck oder wir hängen sie im Garten auf Omas Wäscheleine und besprühen sie mit Farbe. Dann wird zusammengelegt und zusammengetackert. Wir verkaufen zum Preis von 3.- bis 4,80.- Mark.
Die Arbeit mit an und um GRÖSSENWAHN bringt uns Zerstreuung wie überregionale Kontakte zu Autorinnen und Autoren, Zugang zur Mannigfaltigkeit sprachlichen Ausdrucks, das eine und andere Mal um Schlaf wie Verstand und sehr schnell den erstrebten Ruf, ein elitärer Haufen zu sein – worin uns zu unserer großen Freude die Frankfurter Allgemeine Zeitung unterstützt, deren Feuilleton drei unserer sechs literarischen Bastelarbeiten wohlwollend erwähnt. Auch bringt uns solch adelnde Rezension einige Bestellungen aus der Ferne, sogar aus Übersee. Geht.
In meinen anderen beiden Disziplinen Kunst und Psychologie schaffe ich es über fast die gesamte Studienzeit, den Salbaderern und Dünnbrettbohrern aus Forschung und Leere auszuweichen.
In meinem besten Prüfungsfach Psychologie liebe ich die Vorlesungen und Seminare zweier Professoren, die einander lieber herzlich vermeiden: Sprachpsychologie bei der Wiener Grande Dame Stephanie Krenn. Und Epidemiologie bei dem großen Pragmatiker Jürgen Howe. In Bodenkontakt halten mich etliche Veranstaltungen und Verrichtungen in Psychosozialer Praxis beim Therapeuten Peter Bublitz.
Die Kunst absolviere ich tatsächlich ohne dänischen Schiffsschrott zu malen; weshalb die bedeutenden Exkursionen der Fakultät, nämlich in Dänemark Schiffsschrott zu malen, alljährlich ohne mich stattfinden. Stattdessen liebe ich Photographie bei den Photographen Alexander Gräbner und Michael Nath sowie Siebdruck und Plastik bei Künstler Ulrich Fox. Welch wunderbare Wochenenden verbringe ich mit Farbe, Rakel und Sieb oder in der Dunkelkammer. Und wie erfrischend ist das Betrachten von Gegenwartskunst mit dem ausschweifenden Sammler und Kritiker Jürgen Weichhardt.
Zur Prüfung allerdings kann ich den dänenschiffsschrottmalenden Professor doch nicht vermeiden. Aber er lobt meine „beachtlichen“ praktischen Arbeiten und winkt mich durch unter der Bedingung, die Kunst nie wieder wissenschaftlich anzugehen. Das zu versprechen fällt mir leicht. Weshalb mein Studiumfinale hier sehr befreiend ist: Allseits großes Gelächter.
Diese schöne Fotografie hänge ich für die Wahl zur Schülervertretung in der Pausenhalle der Hofheimer Main-Taunus-Schule aus. Gewählt werde ich nicht. Frankfurter haben es schwer im Taunus. Selbst wenn sie für ein Foto bis hin nach Portugal fahren. In den Sommerferien. Mit einem ollen, verbeulten Citroën.
Denn also Schülerzeitung statt Schülervertretung. Die OASE. Dafür bedienen wir uns schon mal bei Newsweek. Selbstverständlich lesen wir auch Newsweek. Es wird heiß diskutiert, ausgeschnitten, gemalt, geklebt, fotokopiert. Und Text hacken wir in die Schreibmaschine ohne Korrekturfunktion.
Zu lesen gibt es Interviews: Mit dem Leiter der Schulbibliothek, der kündigte, weil er sich beschnitten sah in seiner freien Meinungsäußerung. Oder mit dem Geigen-Virtuosen Gidon Kremer, der nach dem Konzert in der Frankfurter Jahrhunderthalle in seiner Garderobe nicht die FR oder die FAZ empfängt, aber uns. Die „Unmenschlichkeit“ des Schulgebäudes ist Thema wie das militärische Hochrüsten der Welt. „Sein statt haben“, was Sozialwissenschaftliches. Psychologischer Essay über „Schule – mächtigster Manipulationsapparat“. Literaturkritiken. Und Gedichte natürlich; eigene. Unter Pseudonym. Natürlich.
Lernen für’s Leben verdanke ich zwei Hofheimer Lehrern, die mir auch Freunde sind: In Unter- und Mittelstufe dem fabelhaften Hans Ulrich Colmar, der uns mit Leidenschaft unterrichtet und lenkt; in Deutsch lesen wir Gedichte, und vorzutragen haben wir sie, Moderne wie Klassik; in Französisch stößt uns Colmar auf Albert Camus‘ Die Pest.
Die Oberstufe prägt mir Ludwig Rheinfels; im Leistungskurs Sozial-Wissenschaften schert sich der in den Schuldienst quereingestiegene Top-Manager und Strich-Achtfahrer lässig, aber zielorientiert einen Teufel um Lehrpläne, stattdessen kommt er uns psychologisch: mit Arthur Janovs Der Urschrei, Thomas Ziehes Pubertät und Narzißmus, C.G. Jungs Grundlagen der analytischen Psychoanalyse oder mit Klaus Theweleits kulturtheorethischem Buchmonster Männerphantasien; unserem Gemaule, er bombardiere uns mit Fremdwörtertexten, begegnet er mit Gelächter und dem lapidaren Hinweis, dass uns im Leben noch allerhand erwarte und wir uns da deshalb jetzt durchzubeißen hätten. Hat sich was mit Laberfach SoWi.
Fernsehreporter: Für das ZDF-Jugendmagazin Schüler-Express sind wir in Hessen unterwegs. Vor den Wahlen befragen wir Landtagskandidaten nach ihren im Wahlprogramm formulierten Zielen. Ein halbes Jahr nach der Wahl überprüfen wir den Stand deren Umsetzung und interviewen abermals die dafür gewählten Abgeordneten.
Ohne sie wär’ alles nichts. Wandern mit Mami. Unten Millstätter See, oben Nock, Alexanderhütte, Milch und Jause.
Ich sehe fromm aus. Zur Erstkommunion in St. Hedwig in Frankfurt am Main Griesheim. Aber aus mir wird kein Pfarrer.
In Wiesbaden Sonnenberg, wo Konrad Duden starb, dort erblicke ich die Welt; in Johann Wolfgang Goethes Geburtsstadt Frankfurt am Main komme ich in die 1. Klasse. Auf die Eichendorffschule. Das verpflichtet.
Daheim bei Oma & Opa in Vechta. Im Ermland geboren, leben meine Großeltern nach ihrer Hochzeit in Masuren. Auf einem Konkurs-Hof bauen sie ihre Landwirtschaft auf und selbstversorgen damit drei kinderreiche Familien wie etliche Landarbeiter. Der Betrieb floriert, die Schulden sind fast abgetragen, da zerstört Krieg ihren hart erarbeiteten Lebenstraum. Zehn Monate Flucht, Vertreibung und Hunger überleben sie zusammen mit den Kindern; das Überleben als ihr Maximum. In der niedersächsischen Kleinstadt Vechta finden sie neues Zuhause. Als Zugabe komme Weihnachten 1961 ich. Meiner allein erziehenden Mutter bietet seinerzeit noch nichtmal Frankfurt am Main die Chance, zu arbeiten und gleichzeitig ein Kind groß zu kriegen.
Winzig und nackt bin ich, als es beginnt.